KREFELD IST TOLERANT

Alt-Krefeld feiert in diesem Jahr die Erlangung der Stadtrechte vor 650 Jahren durch Urkunde des römisch-deutschen Kaiser Karl IV. an den Grafen Friedrich III. von Moers. Diese alte Stadt Krefeld erlosch mit der Neugründung der Stadt und des Stadtkreises Krefeld-Uerdingen a. Rh. im Jahre 1929. Im Jahr 1940 wurde dieser neue Stadtkreis von den Nationalsozialisten auf Drängen Krefelder Kommunalpolitiker, gegen geltendes Recht, aufgelöst und in "Stadt Krefeld" umbenannt. Die Stadt Krefeld stellt sich heute gerne und sicher auch zu Recht als tolerant und bunt dar. Dazu gehörte jedoch auch der offene Umgang mit der dunklen Geschichte um die unrechtliche Inkorporation der Rheinstadt Uerdingen im Jahr 1940. Auch wird heute von der Stadt Krefeld nicht anerkannt, dass es sich bei der Stadt und dem Stadtkreis Krefeld- Uerdingen am Rhein um ein modernes und einzigartiges, kommunales Konstrukt handelte, was seiner Zeit lange voraus war. Es galt als Ergebnis eines langen, demokratischen Einigungsprozesses in der Weimarer Republik, welche bekanntlich neuen Ideen und Wegen durchaus aufgeschlossen gegenüber stand.

Uerdinger Bemühungen, das geschehene Unrecht der brutalen Auflösung der selbständigen Körperschaft Uerdingen, in der Nachkriegszeit zu korrigieren, gelangen nur teilweise. Zwar war die Stadt Krefeld bereit, Uerdingen einen einzigartigen Sonderstatus im Deutschen Kommunalrecht als Stadtbezirk, mit körperschaftlichen Rechten einzuräumen, dies aber ohne dabei, das in der NS-Zeit geschehene, kommunale Unrecht anzuerkennen. Der Stadtbezirk Uerdingen wurde eine teilselbständige Körperschaft, mit Bürgermeister, eigener Verwaltung, einem eigenen Stadtsäckel und eigenem Ortsstatut.

Der in Krefeld "verhasste" Gemeindename "Krefeld-Uerdingen am Rhein" wurde nicht mehr eingeführt, obwohl die unrechtliche Umbenennung sogar in einem Rechtsgutachten der Stadt Krefeld selbst, im Januar 1946 festgestellt wurde. Was wenige wissen:  Die im Jahr 1950 wiedereröffnete Rheinbrücke heißt heute deshalb offiziell "Krefeld-Uerdinger Brücke", weil sie ursprünglich 1936 eingeweiht wurde, als die Stadt Krefeld-Uerdingen a. Rh. hieß.

Als 1975 die kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf-Gesetz) umgesetzt wurde, ging die bis dahin noch bestehende Körperschaft Uerdingen restlos in der Stadt Krefeld unter. Im § 9 des Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Mönchengladbach/ Düsseldorf/ Wuppertal vom 10. September 1974 allerdings, fand dies keine Erwähnung, obschon sie erforderlich gewesen wäre. Damit ist Uerdingen heute ein zur Stadt Krefeld zugehöriger Stadtteil, ohne formaljuristisch und demokratisch legitimiert je von der Stadt Krefeld eingemeindet worden zu sein,- sicher eine Besonderheit im deutschen Kommunalrecht!

„Uerdingen würde ohne Krefeld heute besser dastehen..." so der ehemalige Bezirksvorsteher, Ratsherr und langjährige Vorsitzende des Uerdinger Heimatbundes, Elmar Jakubowski, in einem Interview, anlässlich des 90. Gründungstages der Stadt und des Stadtkreises Krefeld-Uerdingen a. Rh., am 11. August 2019 (RP, Krefeld). Uerdingen wurde zweifelsohne durch die unrechtliche Inkorporation und Aberkennung der (Teil-) Selbständigkeit in seiner Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt. Die alte Industriestadt am Rhein steht im Vergleich zu anderen "selbständigen" Städten am Niederrhein in nichts nach. Sie hat heute entsprechend der Gemeindeordnung bei Weitem nicht mehr die Handlungsfreiräume und finanziellen Möglichkeiten über ihre Geschicke zu entscheiden wie etwa kreiszugehörige Gemeinden oder Städte.

                      „Die Wahrheit ist                                                        eine Tochter der Zeit.“                                               Aulus Gellius